Geschichte des RHGs

Das Ricarda-Huch-Gymnasium

Das Ricarda-Huch-Gymnasium ist die älteste höhere Mädchenschule Krefelds. Es feierte 1998 sein 150-jähriges Bestehen. Im Folgenden sollen einige Kapitel aus der wechselvollen Geschichte der Schule aufgeschlagen werden.

Anstandsdame im Unterricht

Bereits 1847 hatten sich 39 Bürger der mennonitisch-protestantischen Oberschicht Krefelds entschlossen, eine private höhere Mädchenschule zu gründen. Bereits ein Jahr später konnten die Pläne verwirklicht werden. Minna Basse aus Frankfurt/M wurde zur ersten Schulleiterin gewählt. In bescheidenen Verhältnissen begann der Unterricht am 1. Oktober 1848 mit 60 Schülerinnen am damaligen Nordwall (später Nordstraße).
Ein Jahr später erfolgte der Umzug zur Königstraße. Da man mit einem Lehrer schlechte Erfahrungen gemacht hatte, saß fortan eine Anstandsdame im Unterricht männlicher Lehrkräfte. Nicht überliefert ist, ob Carl Wilhelm, Komponist der “Wacht am Rhein” und langjähriger Gesangslehrer der Schule, auch solche Beaufsichtigung hat erdulden müssen.
Die Gründung der höheren Töchterschule stand offensichtlich unter einem guten Stern, und die Arbeit der Lehrer muss ebenfalls erfolgreich gewesen sein, denn immer mehr Schülerinnen wurden angemeldet, ungeachtet des beträchtlichen Schulgeldes. Die Kinder sollten nicht erst auf eine Elementarschule gehen, sondern vom 6. Lebensjahr an die höhere Schule besuchen, um eine Ausbildung zu erhalten, die mit dem zweijährigen Kurs der ersten Klasse abschloss. Die Mädchen waren dann 15 Jahre alt.
Eine Tradition, die die Schule bis in die Gegenwart pflegt, begann schon in den 60-er Jahren des 19. Jahrhunderts, nämlich der Einsatz zur Linderung sozialer Not. Damals wurden zu Weihnachten Kleidungsstücke und Geld gesammelt, um arme Kinder bescheren zu können. Das weitere Gedeihen der Schule, die immer noch eine private, sich selbst finanzierende Einrichtung war, hing von der Verleihung der Korporationsrechte ab, welches Ziel 1964 erreicht war. Die Schule wurde damit zu einer juristischen Person.

Heftige Auseinandersetzungen

Die stetige Aufwärtsentwicklung der Schule ließ einen Neubau immer dringender werden. Ein passendes Grundstück wurde am Westwall gefunden. 1869 konnte das inzwischen dritte Schulgebäude bezogen werden. Die Schule wuchs weiter. Ansprüche und Finanzbedarf stiegen. Schließlich kam es 1874 zur Übernahme durch die Stadt Krefeld. Die bisherige Privatanstalt wurde zu einer städtischen, paritätischen höheren Mädchenschule. Der paritätische Charakter konnte zeitweise heftige Auseinandersetzungen zwischen den Konfessionen nicht verhindern, die vor allem in der Zeit des Kulturkampfes um gemeinsame Morgenandachten ausbrachen. Vor allem die katholischen Familien fühlten sich von der evangelischen Mehrheit unterdrückt.
Die Schule genoss nicht nur in Krefeld und Umgebung hohe Wertschätzung, auch staatliche Revisionen bescheinigten ihr wiederholt, gute Arbeit zu leisten. Das weiterhin ungebrochene Wachstum sprach ohnehin für sich. Darin ist zugleich ein Hinweis zu sehen, dass die Eltern zunehmend die Notwendigkeit erkannten, auch ihren Töchtern eine angemessene Bildung zu ermöglichen. Als Folge der Industrialisierung mussten auch Mädchen in sehr viel stärkerem Maß als zuvor in der Lage sein, einen Beruf ergreifen zu können, um sich aus eigener Kraft eine Existenz aufbauen zu können.

Festakt nach 50 Jahren

Nach 50 Jahren sehr erfolgreicher Arbeit konnte die Schule 1898 voller Stolz ihr Jubiläum feiern, das zu einer einrucksvollen Selbstdarstellung geriet, mit einem offiziellen Festakt in der Aula und einem aufwändigen Schulfest in den Sälen der Stadthalle. Die Jubiläumsveranstaltungen fanden schon damals ein ungewöhnliches Interesse in der örtlichen Presse, die selbst einzelne Programmpunkte eingehend würdigte. Und das mit voller Berechtigung, denn die Theateraufführungen, die Reigen und lebenden Bilder, die Gesangs- und Orchesterdarbietungen, die mit hohem Einsatz von Schülerinnen, Eltern und Lehrern einstudiert worden waren, bereiteten den Zuschauern unvergessliche Stunden.
Das 50-jährige Bestehen hat nicht dazu verführt, lediglich stolz auf erbrachte Leistungen zurückzublicken, vielmehr setzten sich Wachstum und Ausbau der Schule auch nach der Jahrhundertwende fort. Die folgenden 50 Jahre der Schulgeschichte sollten allerdings nicht so ungestört verlaufen, denn weltgeschichtliche Veränderungen ungeahnten Ausmaßes standen bevor.
Die Schule hatte erst einmal mit drückender Raumnot zu kämpfen. Ein Erweiterungsbau und die Aufstellung von Holzbaracken besserten die Verhältnisse nur kurzfristig. Für 16 Klassen waren nur 10 Klassenräume vorhanden! Eine Lösung war nicht in Sicht. Dafür erlebten die höheren Töchter 1902 und 1906 herausragende Tage: Zu den Besuchen Kaiser Wilhelms II. in Krefeld durften sie nämlich in weißen Kleidern Spalier stehen und dem hohen Besuch zujubeln.
Erst 1908 kam es endlich zur lange ersehnten Neuordnung des Mädchenschulwesens, die den höheren Mädchenschulen die volle Anerkennung als höhere Schulen brachte. Die Umsetzung dieser Neuordnung konnte schon im neuen Schulgebäude erfolgen, das 1911 an der Moerser Straße eingeweiht wurde und bis heute das Ricarda-Huch-Gymnasium beherbergt.

Geradezu ein Prachtbau

Für die damalige zeit hatte die Stadt geradezu einen Prachtbau errichten lassen. Es waren weder Kosten noch Mühen gescheut worden, ein Werk zu realisieren, das im ganzen Land nicht seinesgleichen fand. Die neue Schule erlebte schon 1912 die ersten Reifeprüfungen für Mädchen in Krefeld überhaupt. Alle 14 Kandidatinnen des Oberlyzeums schnitten mit großem Erfolg ab. (Das erste Mädchenabitur in Deutschland hatte 1896 in Berlin stattgefunden. Unter den Absolventinnen befanden sich zwei Töchter der Familie von der Leyen, allerdings nicht aus einem Krefelder Zweig der hier besonders bedeutsamen Familie.)

Schlechte Versorgungslage

1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Der Unterricht ging zwar fast normal weiter, aber die Veranstaltungen der Schule erhielten einen zunehmend ernsten Charakter. Der Krieg hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Schule. Ein Lehrer fiel kurz nach Kriegsausbruch, anderer Lehrer wurden zum Militärdienst eingezogen. Gegen Ende des Krieges nahmen die vielfältigen Beeinträchtigungen durch die immer schlechter werdende Versorgungslage zu.
Es folgten in der Weimarer Zeit etliche organisatorische Veränderungen, schließlich ging auch die Diskussion über das Mädchenschulwesen weiter. Das Oberlyzeum lief aus, eine Studienanstalt und eine Frauenschule wurden gegründet. Nach außen hin identifizierten sich die Schülerinnen mit ihrer Schule durch das Tragen besonderer Schulmützen. Ungeachtet allen Wandels in Staat und Politik, in Gesellschaft und Kultur behauptete sich die Schule, deren Einzugsbereich sich mit dem Wachstum der Stadt Krefeld ebenfalls ausweitete. 1928 fand die erste Reifeprüfung an der Studienanstalt statt.

Tod und Zerstörung

Das “Dritte Reich” brachte im Schulwesen zunächst nur geringfügige Veränderungen mit sich. Doch 1938 erhielt die Schule den Namen der ersten Frau Hermann Görings: Karin Göring. Der Zweite Weltkrieg brachte wenig später Tod und Zerstörung. Ganze Klassen wurden zum Ernteeinsatz und zum Kriegshilfsdienst eingezogen. 1943 wurde das Schulgebäude schwer beschädigt. Die Karin-Göring-Schule wurde mit der Uerdinger Gudrunschule (Gymnasium am Stadtpark) zusammengelegt. Im Zusammenhang mit der Kinderlandverschickung kamen viele Schüler nach Bad Kissingen. Nach Kriegsende wurden viele Mädchen unter zum Teil abenteuerlichen Bedingungen nach Krefeld zurückgeholt. Angesichts der großen Zerstörungen gerade in Krefeld mutet es fast wie ein Wunder an, dass die Schule schon am 1. Oktober 1945 ihre Arbeit fortsetzen konnte.

Neubeginn und Wiederaufbau

Nach 1945 waren die Schulen zunächst einem besonderen Druck ausgesetzt, weil sie vielfach als Brutstätten rechtsextremen Gedankengutes angesehen wurden. Mit allen Mitteln wurde unter Aufsicht der Siegermächte entnazifiziert und demokratisiert. Die Gymnasien blieben nahezu unverändert bestehen.
In Krefeld unternahm man große Anstrengungen, den Schulbetrieb möglichst rasch wieder aufnehmen zu können. In der Städtischen Studienanstalt mit Lyzeum und dreijähriger Frauenfachschule begann am 1. Oktober 1945 mit 563 Schülerinnen der Unterricht, natürlich nach neuen Lehrplänen. Die Lehr- und Lernbedingungen waren alles andere als erfreulich. In das Schulgebäude zog vorübergehend das britische Garnisonstheater ein. Bis 1952 arbeitete auch das Stadttheater im Haus, und bis 1956 musste man zusätzlich der Marianne-Rhodius-Schule Gastrecht einräumen.
Als Neubeginn ist auch die Tatsache zu sehen, dass 1947 zum erstenmal nach Minna Basse wieder eine Frau mit der Leitung der Schule betraut wurde, nämlich Margarete Porten. Unter ihrer Leitung nahm die Schule einen ungeahnten Aufschwung.

Große Dichterin als hohes Vorbild

Sehr viel ernster ging es 1958 bei der zweiten Namensverleihung zu. Die Wahl war auf die Dichterin und Historikerin Ricarda Huch gefallen, die zum großen Vorbild erhoben wurde. Zu dieser Zeit hatte die Schule bereits mit dem Problem der Überfüllung zu kämpfen. Mit 1250 Schülerinnen war die Schule die zweitgrößte im ganzen Land. So erfolgte 1961 die Teilung. Als neues Gymnasium wurde die Maria-Sibylla-Merian-Schule gegründet, die bis 1968 im Haus verblieb. Die Anziehungskraft des Ricarda-Huch-Gymnasiums blieb ungebrochen.

Große Einschnitte

Wenig später veränderte die Einführung der reformierten Oberstufe, die 1971 am Ricarda-Huch-Gymnasium mit entwickelt wurde, maßgeblich nicht nur das Gesicht unserer Schule. Als besonderer Einschnitt ist die Koedukation anzusehen, die seit 1975 praktiziert wird. Damals fielen 28 Jungen bei 1265 Mädchen kaum ins Gewicht. Bis 1997/98 sollte sich ein Verhältnis von 336 Jungen und 599 Mädchen ergeben
Eine weitere Entwicklung von großer Tragweite war die Aufnahme zahlreicher ausländischer Schüler. Ihr Anteil stieg zeitweise auf über 20 Prozent.
Seit der Übernahme der Schulleitung im Jahr 2001 durch Herrn OStD Uwe Roscheck liegen die Geschicke des Ricarda-Huch-Gymnasiums nach 54 Jahren “weiblicher Regentschaft” wieder in männlichen Händen.
Für die besondere Aufgeschlossenheit und den zukunftsorientierten Geist des Ricarda-Huch-Gymnasiums zeugt die Tatsache, dass sich die Schule freiwillig am nordrhein-westfälischen Schulversuch beteiligte, der unter dem Namen “Selbständige Schule” neue Wege beschritt um das Anfang der 2000er Jahre gerade im internationalen Vergleich sehr negativ beurteilte Bildungssystem mit sinkendem Leistungsniveau wieder in eine bessere Zukunft zu führen.

Ricarda Huch: deutsche Schriftstellerin und Historikerin (1864 - 1947). Die Schule wurde 1958 nach ihr benannt.
Philipp Brüxseit 2019
Philipp Brüx
(kommissarisch)
2016-2019
Ulrike Höttges2013-2016
Dr. Udo Rademacher (kommissarisch)2012-2013
Uwe Roscheck2001-2012
Dr. Freya Stephan-Kühn1986-2001
Dr. Luise Bröcker1969-1985
Margarete Porten1947-1969
Alfons Zimmer1945-1947
Dr. Karl Dörsing1924-1945
Prof. Georg Bohle1910-1924
Dr. Ernst Wehrmann1897-1910
Dr. Leon Wespy1893-1897
Dr. Wilhelm Buchner1857-1893
Dr. Wilhelm Basse1852-1857
Minna Basse1848-1852
1979:Ricarda-Huch-Gymnasium
1975:Koedukation
1968:Ricarda-Huch-Schule: Neusprachl. Gymnasium mit soziawissenschaftlichem Zweig und Gymnasium für Frauenbildung zum Erlangen einer fachgebundenen Hochschulreife
1960:Ricarda-Huch-Schule: Neusprachliches Mädchengymnsium mit Frauenoberschule
1958:Einführung des Namens Ricarda-Huch-Schule
1952:Mädchengymnasium (neuspr.) mit Frauenoberschule
1950:Städt. Studienanstalt mit Frauenoberschule
1942:Karin-Göring-Schule: Städt. Oberschule für Mädchen, hauswirtschaftliche und sprachliche Form und sozialpädagogisches Seminar
1940:Karin-Göring-Schule: Städt. Oberschule für Mädchen, hauswirtschaftliche und sprachliche Form
1938:Karin-Göring-Schule: Städt. Oberschule für Mädchen mit Frauenschule
1931:Städt. realgymnasiale Studienanstalt mit Lyzeum, Frauenschule und Frauenoberschule i.E.
1930:Städt. Lyzeum mit realgymnasialer Studienanstalt, Frauenschule und technischem Seminar
1927:Städt. realgymnasiale Studienanstalt, Lyzeum
mit Frauenschule und technischem Seminar
1926:Städt. Lyzeum mit Frauenschule und
Studienanstalt i.E.
1912:Städt. Lyzeum und Oberlyzeum und Städt.
Seminar für technische Lehrerinnen
1911:Städt. Lyzeum und Oberlyzeum
1910:Städt. höhere Mädchenschule mit Frauenschule und Städt. Lehrerinnen-Bildungsanstalt
1909:Höhere Mädchenschule mit Lyzeum
1905:Höhere Mädchenschule und Städt. Lehrerinnenbildungsanstalt
1876:Simultane höhere Töchterschule
1874:Ev. höhere Privat-Mädchenschule
Städt. höhere Mädchenschule
Städt. paritätische höhere Mädchenschule
1857:Ev. höhere Töchterschule zu Crefeld
1848:Privat-Unterrichts-Anstalt der Minna Basse
Höhere Töchterschule